Der Weihnachtsmann klagt

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Gabriele Noichl

Ich muss Euch heute etwas sagen,
Schwestern und Brüder auf der Welt,
was sich so lang schon zugetragen
und das mir gar nicht mehr gefällt.

Ich komme stets zu Groß und Klein,
zu Fuß oder mit Schlitten,
und freue mich, bei Euch zu sein,
das ist ganz unbestritten.
Ich bringe Äpfel Euch und Nüsse,
der Duft ist unvergleichbar fein.
Man tauscht Geschenke aus und Küsse
und so soll ja die Weihnacht sein.

Doch leider ist's nicht mehr wie's war,
die Menschen auf der ganzen Welt
seh'n alles nüchtern noch und klar -
das Funkeln in den Augen fehlt.
Was haben Kinder doch gestrahlt,
die Bäckchen rot, die Freude groß.
Gesichter waren wie gemalt,
voll Angst saß man auf Mutter's Schoß.

Dies Bild siehst Du heut nicht mehr oft.
Das Kind schaut Fernsehn mit Genuss,
schiebt 'ne Kassette ein und hofft,
dass Nicklaus kommt nach Sendeschluss.
Dann ist's soweit: Ich klopfe an.
Die Mutter ruft zum Nachwuchs rüber:
"Ich glaub', jetzt kommt der Weihnachtsmann!"
Sagt's Kindlein: "Schlümpfe seh' ich lieber."

Man führt mich dann zum Tannenbaum,
zeigt das Geschenk mir für das Kind,
das sieht mich an, als glaub'
es kaum, dass Große noch so albern sind.
Dann leiert es ganz teilnahmslos
und mühsam sein Gedicht herunter.
Danach geht die Bescherung los -
die Ungeduld, sie brennt wie Zunder.

Die Mutter sorgt für Weihnachtsstimmung,
erleuchtet Christbaum, macht Musik,
dann herrscht im Raum kurze Besinnung
und allen Lieben wünscht man Glück.
Der Vater wagt gar nicht zu fragen,
wann's endlich was zum Beißen gibt.
Ihm knurrt schon stundenlang der Magen,
nur in die Gans ist er verliebt.

Ich teile die Geschenke aus,
danach gibt's dann den Weihnachtsschmauß.
"Habt vielen Dank, Herr Nikolaus!"
Und ich verlasse still das Haus.
Dann wate ich so durch den Schnee
mit meinem Sack und meiner Rute.
Die Füße tun mir auch schon weh,
das Alter ist's, was ich vermute.

Dort sitzt ein Penner ganz allein
auf seiner Bank mit einer Flasche
und ruft: "Komm' Alter, kehr' hier ein,
ich hab' auch Brot in meiner Tasche!
So trink mit mir den Wein zum Feste,
er ist zwar nicht der allerbeste,
doch wärmt er Dich von innen raus,
wenn Du geträumt vom warmen Haus.
Dein Bart ist so schön lang und kraus,
siehst fast aus wie der Nikolaus."

Er nimmt mich um die Schulter fest,
als würden wir uns lang schon kennen.
"Wir beide feiern hier das Fest
und Du darfst heut' auch bei mir pennen."
Das Angebot war angenommen,
ich weiß nicht, wie ich heimgekommen.
Leider war's keine Fantasie,
die Wirklichkeit schmerzt mich wie nie.

Ihr habt sie doch, die Fantasie,
drum lasst sie öfter einmal spielen.
Die Uhr zurückdreh'n kannst Du nie!
Lass freien Lauf Deinen Gefühlen!
Öffne Dein Herz und Du wirst seh'n:
Auch and're Herzen sind Dir offen.
Was Schön'res kann Dir nicht gescheh'n
und uns lässt es auch wieder hoffen,

/dass *Liebe *einkehrt in der Welt
und dass das *Funkeln Eurer Augen*
den ganzen Erdenball erhellt./