Lebkuchenmärchen
Zwei Zwerglein stapften durch den Wald,
die Nase rot, die Finger kalt,
so suchten sie nach süßen Beeren,
um ihren Vorrat zu vermehren.
Denn in dem Speiseschrank zuhaus
sah es fürwahr nicht üppig aus.
Nun führte sie ihr Weg vorbei
an kleinen Tännlein, eins und zwei.
Die waren froh stets und bescheiden.
Die Zwerglein konnten sie gut leiden.
Heut klagten sie:"Wir sind so klein
und möchten dennoch Christbaum sein
mit Nüssen, Sternen, Kuchenherzen
und reich besteckt mit bunten Kerzen."
Da blickten sich die Zwerglein an
und freundlich sprach der eine dann:
"Wir fragen unsern Freundeskreis,
ob einer euch zu helfen weiß.
Klagt nicht, ihr Lieben, laßt und lachen,
mit Frohsinn läßt sich vieles machen."
Zuerst schirrt man die Mäuse an,
das ist ein lustiges Gespann.
Du siehst hier, wie die Kleinen rennen,
sie geben her, was sie nur können.
Es geht zur Mühle, hopp, hopp, hopp,
in einem eiligen Galopp.
Dort läßt man sich vier Säcke geben,
die muß man auf den Wagen heben.
Als dies geschehen mit Geschick,
geht es zur Zwergenstadt zurück.
Hier schaut bereits nach ihnen aus
der Bäckermeister vor dem Haus.
"Halt, brr", so macht auf seinem Bock
der Kutscher mit dem roten Rock.
Die Säcke schleppt der Meister dann
behend ins Haus, der starke Mann.
Und einen Mehlsack nach dem andern
sieht schnell man in den Backraum wander.
Doch Mehl alleine tut es nicht,
wenn es am sonstigen gebricht.
Zum Beispiel Zucker, Honig, Zimt
man gern zu Weihnachtskuchen nimmt.
Für Honig sorgen brav die Bienen,
auch sie sind fleißig und bedienen
den guten Bäckermeister gern
und schleppen Honig her von fern.
Man sah sie einst mit vielen Hummeln
sich zwischen bunten Blumen tummeln.
Dort brachten sie mit Emsigkeit
viel Honig ein zur Sommerzeit.
Als nun die lieben, fleißigen Bienen
mit ihren Eimerchen erschienen,
da sprach der Bäcker:"Seid gegrüßt,
daß ihr mich nicht im Stiche ließt.
Ihr habt euch so verdient gemacht,
daß uns das Herz im Leibe lacht.
Nichts geht doch über Pünktlichkeit,
durch sie gewinnt man Kraft und Zeit.
Kommt nur herein und ruht euch aus,
trinkt Wein bei einem guten Schmaus."
Beim Kaufmann ist heut Hochbetrieb.
Uns scheint, das sei ihm gar nicht lieb.
Er stöhnt ein wenig über Hast
und über seine Arbeitslast.
Die Zwerglein lachen:"Lieber Mann,
strengt euch nur auch ein wenig an;
bald ist der Laden wieder leer,
gefällt euch dieses etwa mehr?"
Der Händler sagt:"Da habt ihr recht,
ich danke euch, daß ihr so sprecht.
Hat man einmal zuviel zu tun,
dann möchte man am liebsten ruhn.
Doch stellt sich keine Kundschaft ein,
dann möcht' man gerne fleißig sein."
Die Zwerglein lachen:"Ihr seid weise."
und einer spricht zum Kaufmann leise:
"Hört zu, wir kaufen heute ein
für unsre lieben Tännelein.
Viel süße Kuchen backen wir,
die bringen wir zum Waldrevier
und schmücken damit ihre Äste
zum lieben, frohen Weihnachtsfeste."
"Ei", spricht darauf der Handelsmann,
"dann strenge ich mich gerne an."
Wer sammelt wohl die Nüsse ein?
Das kann doch nur das Eichhorn sein.
Herr Eichhorn, Frau und auch die Kleinen
sind schon frühmorgens auf den Beinen.
Doch vor dem sorglichen Verpacken
gibt es ein frohes Probeknacken.
Herr Eichhorn meint:"Hm, hm, nicht schlecht,
sie sind für Leckermäuler recht.
Nicht wahr, ihr Kleinen, diese Nuß
auch Leckermäulern schmecken muß."
Die Kleinen nicken, das ist klar,
was Vati spricht, ist immer wahr.
Die Mutti sagt und lacht dabei:
"Die Nuß dient auch zur Bäckerei,
ja, dieses läßt sich kaum bestreiten,
die Nuß gehört zum Teigbereiten.
Rosinen, Zitronat und Zimt
sind für den gleichen Zweck bestimmt.
Nun wacker, Kinder, es ist spät,
bedenkt, daß es bald heimwärts geht."
Die Molkerei der Zwergenstadt,
die viele Milchgefäße hat,
hat auch ein schönes Butterfaß,
da buttert Klex ohn' Unterlaß.
Und siehe da, in kurzer Zeit
steht feinste Butter schon bereit.
Die ist so herrlich gelb und rein
wie strahlend heller Sonnenschein.
Klingling, wer kommt zur Tür herein?
Wer könnte das wohl anders sein
als Nachbars Hennen Schnuck und Schnick;
sie bringen Eier, fünfzig Stück.
"Herein, ihr Lieben, kommt herein,
ihr sollt uns stets willkommen sein.
Wir schätzen ehrlich eure Eier,
besonders, wenn sie nicht zu teuer."
Da spricht Frau Schnick und lacht dabei:
"sechs Nüßchen kostet jedes Ei."
"Packt aus", sagt Klex, "ihr guten Hennen,
den Preis, den kann man billig nennen."
Im Backraum geht es hitzig zu,
denn niemand gönnt sich faule Ruh.
Der immer frohe Bäckermeister -
Johannes Zuckerkringel heißt er -,
das ist ein wackrer, kluger Mann,
der packt sogleich die Sache an.
Ein jeder ist voll Lust dabei,
denkt insgeheim an jene zwei,
die drunten stehen still und klein;
die werden staunen und sich freu'n.
Mit Mehl und Honig, Milch und Zimt
das Backen seinen Anfang nimmt.
Das ist ein Mengen, Kneten, Stechen,
ein Backen auf den Kuchenblechen.
Freund Zuckerkringel mit Geschick
vollbrachte schon ein Meisterstück:
Ein Kuchenherz mit Zuckerguß,
das jedes Kind entzücken muß.
Er zeigt es voller Stolz umher:
"Ja, wer es kann, dem fällt's nicht schwer."
Die Tännlein, denkt man, werden lachen
und sicher große Augen machen.
Was mal ein Zwerglein hat versprochen,
das wird ganz sicher nicht gebrochen,
so dachten unsre Tännelein
und schliefen fast ein wenig ein.
Doch plötzlich kam es tripp und trapp
zum ganz verschneiten Wald herab.
Ja, schaut, drei Zwerglein trugen schwer
drei Körbe voll Gebäck daher.
"Uff", sagten sie umd machten Halt,
"der Winterwind ist ziemlich kalt,
kein Wunder, denn er kommt von Norden,
und trotzdem ist uns warm geworden.
Nun schaut, was wir euch mitgebracht
und was euch Freunde zugedacht."
Gar bald war jeder Zweig geschmückt,
und beide Tännlein sahn beglückt
auf all das liebe bunte Prangen;
die Weihnacht hatte angefangen.
Die Tierlein rings, die Vögelein,
die schauten ganz verwundert drein.
Sie freuten sich und sagten sich,
da fällt wohl etwas ab für mich.
Und hell erklang im Waldesraum
das schöne Lied "O Tannenbaum".